Über eine Zugfahrt mit „gutem“ Kinderkino, gutem Bier und gutem Gefühl in Richtung Weihnachtszeit.
Wenn ich diese Zeilen schreibe, sitze ich im Railjet-Express 864 in Richtung Bregenz, irgendwo zwischen Salzburg und Wörgl. Ohne Internet. Wie es sich für einen Studenten gehört, habe ich mich viel zu spät um die weihnachtliche Heimfahrt nach Vorarlberg gekümmert und somit auch viel zu spät das Reservierungssystem der ÖBB geöffnet. Dort blicken mir noch fünf freie Plätze entgegen – im Familienabteil. In Hörweite des Kinderkinos. Das kann ja nur gut werden. Der Zug ist jedenfalls bumbvoll (sagt man das in Wien?).
Nun habe ich bei der „schönen“ Aussicht über das Deutsche Eck Zeit, diesen neuen Lebensabschnitt etwas Revue passieren zu lassen, gutes Bier, das nach der – vor der Zugfahrt absolvierten – ersten StEOP-Prüfung irgendwie dazugehört, lädt zum Nachdenken ein. Also: Der erste Teil des ersten Semesters als Student ist schneller vergangen als erhofft, dem konnte sogar ein Lockdown mit geschlossenen Freizeiteinrichtungen nicht entgegenwirken. Das war wohl meine größte Sorge, sie hat sich – auch dank großzügig ausgelegter Regeln im Studentenheim, wenn man das so formulieren kann – nicht bewahrheitet. Dass ein Studentenleben, wie man es sich vielleicht vorgestellt oder erträumt hat, weiter nicht möglich ist, wurde hier an dieser Stelle ja schon einige Male erläutert.
Mittlerweile ist Thomas Brezina ein weiteres Mal in mein Leben getreten. Im Kinderkino des Zugs gibt er sein Wissen zum Besten. Ein in Linz zugestiegener Zusammenschluss mehrerer Familien – so meine Vermutung – freut sich auf seinen Weihnachtsurlaub – ebenfalls meine Vermutung, die 13 Paare Skier und Stöcke lassen darauf schließen – in Tirol und muss diesen selbstverständlich zelebrieren. Während sich die Jüngsten also vom Fernseher die Welt erklären lassen, wird vom älteren Teil der Gruppe der Prosecco geköpft. 10/10, can recommend. Meine Kopfhörer haben übrigens keinen Akku mehr, während jeder einzelne neu gelernte Fakt aus dem Kinderkino zu den Sitzen gegenüber gebrüllt wird. Abermals: 10/10, can recommend.
Der Schaffner betritt das Abteil, lobt die Mitreisenden für Engagement („Na do is owa a supa Stimmung“), im selben Moment wirft mir die Dame am Sitz gegenüber einen gequälten Blick zu, ein Augenschwenker nach links gibts auch noch: Im Zug muss man wirklich keine Worte austauschen, um sich gegen eine Gruppe zu verbünden und über sie im Geheimen zu schimpfen. Der Zug steht im Deutschen Eck übrigens seit mittlerweile elf Minuten, das ist für einen anderen jüngeren Herrn im Abteil Grund genug, lautstark zu verkünden, den Schaffner zu suchen, um nachzufragen, was denn los sei. Ich habe besagten Mann nie mehr wieder gesehen.
Mittlerweile macht sich Weihnachtsstimmung im Abteil breit, die Gruppe steigt in Wörgl aus – dieses Prozedere war ein nicht in Worte zu fassendes Spektakel, 13 Skier, Stöcke und Skischuhtaschen galt es auf den Bahnsteig zu befördern. Im nächsten Lockdown wäre das ein perfekter Ersatz für den Besuch im Kabarett gewesen – und das Bier kickt langsam aber sicher. Die Kopfhörer funktionieren auch wieder, irgendwelche winterlichen Lieder düdeln vor sich hin und ich freu mich jetzt auf eine gute Zeit in Vorarlberg. Endlich raus aus der Großstadt. Und endlich eine Zeit ohne Thomas Brezina. Eine gute Weihnachtszeit, euch allen.
Dieser Text erschien zuerst am 18.12.2021 bei FM4-Online und ist weiterhin hier abrufbar.