Bescheid illegal: Wolf von Bludenz durfte nie zum Abschuss freigegeben werden

Dieser Text erschien zuerst am 22.3.2024 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.

 

Landesverwaltungsgericht hebt Abschussbescheid für den Wolf von Bludenz auf. Landesrat Gantner: „Ich stehe voll und ganz hinter der Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft.“

Bregenz, Bludenz Der Landesregierung konnte es nicht schnell genug gehen. Kurz nachdem das Video aus Bludenz öffentlich wurde, meldeten sich Landeshauptmann Markus Wallner und Veterinärlandesrat Christian Gantner zu Wort: „Hier darf es null Toleranz geben. Wir schauen nicht tatenlos zu, wir handeln schnell und konsequent“, wurden beide am 31. Jänner in einer Aussendung zitiert. Der Grund: Ein wolfsähnliches Tier, das mitten in der Nacht in der Südtiroler Siedlung von einem Autofahrer gefilmt wurde. Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz erließ noch am selben Tag einen Entnahmebescheid. Und gab das Tier – von dem bis heute nicht klar ist, ob es tatsächlich ein Wolf war – damit zum Abschuss frei.

Nun steht fest: Das war illegal.

Das hat das Landesverwaltungsgericht entschieden. Aus dem Erkenntnis, das den VN vorliegt, geht hervor, dass die Behörde zentrale verfahrensrechtliche Grundlagen ignorierte: „Eine Entnahme des Wolfes (ohne vorherige Besenderung bzw. Vergrämung) kommt nach dem vorgesehenen Maßnahmenkatalog nur in Betracht, wenn sich der Wolf unprovoziert aggressiv gegenüber Menschen verhält oder in bewohnte Gebäude bzw. an ein Gehöft angeschlossene Stallungen eindringt”, schreibt die Richterin.

Zuerst Besendern und Vergrämen

Wird ein Wolf hingegen nur mehrfach in der Nähe menschlicher Siedlungen gesehen, kommt ein Abschuss nicht infrage: Dann „ist zunächst eine genaue Analyse, entsprechende Aufklärung und Information und bei Bedarf die Entfernung von Futterquellen sowie eventuell die Besenderung und Vergrämung vorgesehen“, heißt es vom Landesverwaltungsgericht weiter.

Der angesprochene Maßnahmenkatalog ist Teil einer Verordnung der Landesregierung und wurde von dieser im April 2022 beschlossen. Doch die Bezirkshauptmannschaft hielt sich offensichtlich nicht daran, wie diese Passage aus der Entscheidung zeigt: „Das Tier ist bislang einmal im städtischen Siedlungsgebiet nachweislich in Erscheinung getreten. Es war jedoch weder ein provozierendes noch ein aggressives Verhalten erkennbar. Es waren zudem weder Fußgänger noch andere Tiere in der Nähe unterwegs. Es liegt außerdem kein Wiederholungsfall vor.“

Franz Ströhle, Obmann des Vorarlberger Alpenschutzvereins, der die Beschwerde einbrachte, sagt den VN, dass es erfreulich sei, dass der Rechtsstaat funktioniere: „Der Abschussbescheid war ein unüberlegter Schnellschuss, der von Emotionen geleitet und jedenfalls fachlich unbegründet war. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Tier bei problematischem Verhalten schon jetzt entnommen werden, aber hier wurde die eigenen Vorgaben zur Entnahme nicht berücksichtigt.“

Dank „für das rasche und mutige Agieren“

Landeshauptmann Markus Wallner war zu diesem Erkenntnis nicht erreichbar; ein Pressesprecher verwies auf Christian Gantner. Dieser nimmt schriftlich Stellung: „Dass es unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt und der Bescheid aufgehoben wurde, nehmen wir zur Kenntnis.“ Dennoch verteidigt er die Vorgangsweise weiterhin. „Ich stehe voll und ganz hinter der Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft, den Bescheid zu erlassen“, schreibt der Landesrat auf VN-Anfrage: „Für uns ist absolut klar, dass der Wolf im dicht besiedelten Raum nichts verloren hat.“ Sein Dank gelte „der zuständigen Behörde für das rasche und mutige Agieren und der Jägerschaft, die der wichtigste Maßnahmenpartner bei diesem Thema ist und das Vorhaben mit großem Engagement unterstützt hat“. Es habe aber keine Weisung aus dem Landhaus an die BH gegeben.

Mit der vor kurzem beschlossenen Änderung des Jagdgesetzes, wonach nun auch Abschüsse von Wölfen per Verordnung angeordnet werden können, sei man außerdem gut gerüstet: „Damit ist ein rasches, konsequentes und rechtssicheres Handeln im Sinne der Sicherheit der Bevölkerung möglich und es sind wichtige Rahmenbedingungen für einen sicheren Alpsommer 2024 geschaffen“, sagt Gantner.

Es ist aber weiter nicht einmal klar, ob das Tier von Bludenz tatsächlich ein Wolf war. Das Gericht verweist auf mehrere Gutachten. Laut einer Wildbiologin kann es sich auch um einen wolfsähnlichen Hund gehandelt haben; der veterinärmedizinische Amtssachverständige schrieb davon, dass es möglicherweise ein Wolfshybrid war. Und selbst wenn tatsächlich ein Wolf in Bludenz unterwegs war: Dann hätte ein Abschuss außerdem der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie widersprochen, schreibt die Richterin.

Amtshaftungsansprüche denkbar

Für Verwaltungsjurist Peter Bußjäger ist die Situation auch deshalb unbefriedigend: „Es sollte nicht passieren, dass Bescheide so aufgehoben werden müssen.“ Er weist darauf hin, dass Beschwerdeführern vor dem Landesverwaltungsgericht ihre Anwaltskosten auch dann nicht zurückerstattet werden, wenn sie Recht bekommen. In Ausnahmefällen könne das aber im Wege der Amtshaftung passieren, wenn das Gesetz grob falsch angewandt wurde.

Aber nur für dieses eine Verfahren. Denn Landesrat Gantner sagt, dass das Land keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung erheben werde: „Im Sinne eines sinnvollen – nämlich sparsamen und zweckmäßigen – Ressourceneinsatzes in der Verwaltung.“