Diese Reportage erschien zuerst am 3.6.2023 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.
Mit dem Parteitag in Linz und der Krönung Hans Peter Doskozils zum neuen Parteivorsitzenden sollen die internen Streitereien in der SPÖ ein Ende finden.
Linz Es war 15 Uhr 22, als die Band noch ein letztes Mal aufgerufen wurde: “Wenn man so will, bist du das Ziel einer langen Reise”. Wohl kein Satz wie dieser aus dem Lied “Ein Kompliment” der Sportfreunde Stiller hätte besser zum SPÖ-Parteitag gepasst. Denn bis diese Veranstaltung stattfinden konnte, war tatsächlich eine lange Reise zu bestreiten, mit jahrelangen internen Streitereien um die Ausrichtungsfrage, mit einer Mitgliederbefragung, die über Wochen hinweg ausgezählt werden musste, und mit einem Kampf um die Stimmen der 603 anwesenden Delegierten auf dem Parteitag. Der fand dann aber ein überraschend schnelles Ende: Um 15 Uhr 33 stand Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (52) als neuer Parteichef der österreichischen Sozialdemokratie fest: Dank 37 Stimmen Unterschied. Gewählt von 53,02 Prozent der Delegierten.
Im Vorfeld der Veranstaltung in Linz war viel vom Wunsch nach einer geeinten Sozialdemokratie die Rede. Auf einer inhaltlichen Ebene, versteht sich. Fast einig waren sich die Delegierten nämlich darüber, dass Doskozil wohl am Schluss die Wahl gewinnen wird können. Nur wenige glaubten ernsthaft an eine Kür des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler (50) zum neuen SPÖ-Vorsitzenden. Bis die beiden Kandidaten mit ihren “Referaten” – so wurden die jeweils 45-minütigen Ansprachen später immer wieder bezeichnet – begannen.
Doskozil mit Kritik an der Bundespartei
Da war zuerst Doskozil, der Mann, der in den vergangenen Jahren mit seinen Querschüssen in Richtung Bundes-SPÖ aufgefallen war, und das eigentlich auch auf dem Parteitag fortsetzte: Mit Kritik am Kurs der Parteiführung in der Vergangenheit und Ideen, was besser zu tun gewesen wäre. Er verwies etwa auf seinen im Burgenland durchgesetzten Mindestlohn bei Landesbediensteten und warf den Delegierten der Gewerkschaft, die ihm wegen seiner Forderung nach einem Mindestlohn skeptisch gegenüber standen, ein Stöckchen hin – man könne doch akkordiert vorgehen und den Sozialpartnern signalisieren: “Einigen wir uns kollektivvertraglich, weil sonst gibt es einen verrückten Burgenländer, der setzt den Mindestlohn um.”
Dennoch gab es von der Landtagsabgeordneten aus Bludenz, Elke Zimmermann, eben Gewerkschafterin, nach der Rede keine Standing-Ovations für Doskozil. Die gaben aus der Vorarlberger Runde nur Mario Leiter, der bald zum neuen Landesparteichef gekürt werden soll, und Nationalratsabgeordneter Reinhold Einwallner. Letzterer hatte sich bereits im Vorfeld für Doskozil ausgesprochen, Leiter hielt sich diesbezüglich bedeckt. Ganz einig war also auch diese Delegation nicht.
Babler mit großem Aufpeitschen
Mit mehr Leben erfüllt wurde die Halle dann bei der anschließenden Rede von Babler. Zum Teil unverständlich war die lautstarke Ansprache von den Medienplätzen am Ende der Halle aus, lange Applausphasen, Jubelschreie und wohl freundlich gemeinte Pfiffe leisteten ihren Beitrag. Babler sparte wie in seiner gesamten Kampagne nicht mit Pathos, als er ein “unglaubliches Comeback der Sozialdemokratie” ankündigte. Sein Programm werde Träumerei genannt: “Träumer, das ist nur ein anderes Wort für Sozialdemokrat.” Sei nicht auch ein Gemeindebau ein Luftschloss gewesen, “bis wir ihn gebaut haben”?
Und weil die Stimmung in der Halle so aufgeheizt war – der Qualitätsunterschied der Luft im Vergleich zum Foyer war deutlich zu spüren –, ließen einige Anhänger Bablers ihren Träumereien tatsächlich freien Lauf. Wer sich zuvor über einen möglichen Erfolg nur skeptisch äußerte, liebäugelte nun zumindest mit einem Sieg Bablers oder wenigstens einer knappen Entscheidung. Darüber waren sich dann wiederum fast alle Delegierten einig und mit Letzterem sollten diese auch Recht behalten.
Ein Handshake und eine flüchtige Umarmung
Ist also doch alles gut in der Sozialdemokratie, trotz des Ergebnisses, das eindeutig die Spaltung in zumindest zwei Lager belegt? Doskozil bemühte sich in seiner Siegesrede immerhin um diesen Eindruck, war “überwältigt”, nachdem er zuerst kaum zu seiner Stimme fand. Seinen unterlegenen Widersacher Babler bat er auf die Bühne, es gab einen Handshake und eine flüchtige Umarmung, was Jubel auslöste. Doskozil übernahm Bablers Position, wonach es das Ziel der SPÖ sein müsse, eine Koalition mit der ÖVP zu vermeiden, und dankte dem “lieben Andi” umgehend dafür, dass er zu diesem “symbolischen Schritt des aufeinander Zugehens” bereit gewesen sei.
Diesen erwartet sich nun auch Vorarlbergs Landesparteivorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger (66), die zwar nach Bablers Ansprache stehend ihren Respekt zollte, aber noch während der Siegesrede Doskozils ihren Platz verließ. Im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten sprach sie von einer “großen persönlichen Enttäuschung” und dass die neue Parteispitze nun auf die Jugend zugehen müsse. Aufgabe Doskozils sei es, rechtzufertigen, warum der Parteitag überhaupt abgehalten wurde: “Eine Vorsitzende abzumontieren und später nicht entsprechende Wahlergebnisse zu liefern, ist schwierig.” Die FPÖ müsse bei der nächsten Nationalratswahl – wie angekündigt – überholt werden.
Martin Staudinger hingegen, Bürgermeister von Hard und immer noch Mitglied des Bundesparteivorstands, kann diese Ansagen nicht nachvollziehen: “Man sollte nun endlich einmal aufhören, Dinge ständig negativ zu sehen. Es hat mich auch in der Vergangenheit sehr gestört, dass manche so getan haben, als wäre ein mit absoluter Mehrheit ausgestatteter Landeshauptmann im Burgenland ein rechter Politiker. Das kann man nicht machen.” Der demokratische Vorgang, der in der österreichischen Sozialdemokratie stattgefunden habe, sei aber Teil ihrer Stärke, so Staudinger. Oder um es mit den Sportfreunden Stiller über die SPÖ zu sagen: “Ich wollte dir nur mal eben sagen, dass du das Größte für mich bist.” Darüber sind sich wohl wieder alle Delegierten einig.