Dieser Text erschien zuerst am 3.2.2023 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.
Über 200 Personen hatten die Position bereits inne: Wenige schaffen den Aufstieg aus der “zweiten Reihe”, viele erarbeiten sich in diesem Amt kein ausreichendes politisches Profil. Doch wie arbeiten Staatssekretäre und warum gibt es sie überhaupt?
Wien Was sagen Ihnen die Namen Claudia Plakolm, Susanne Kraus-Winkler, Florian Tursky (ÖVP) sowie Andrea Mayer (Grüne)? Wenn Sie sich nicht gerade tagtäglich mit der Arbeit der türkis-grünen Bundesregierung auseinandersetzen, womöglich nicht allzu viel. Und das, obwohl diese vier Personen oberste Ämter in dieser Republik inne haben: Sie sind Staatssekretäre, sitzen damit zum Beispiel am Ministerratstisch, können die Republik in Gremien der Europäischen Union vertreten und werden bei Regierungsbildungen vom Bundespräsidenten angelobt.
Dennoch arbeiten sie meist im Schatten ihrer jeweiligen Minister, denen sie laut Bundesverfassung “nur” zur “Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung” beigestellt werden. Und der Minister bleibt selbst dann letztverantwortlich und weisungsbefugt, wenn er “seinen” Staatssekretär mit bestimmten inhaltlichen Aufgaben aus dem Ressort betraut. Die Posten können jedoch ein Zwischenschritt für höhere Ämter sein, Parteien besetzen bestimmte Themen damit zum Beispiel speziell und Staatssekretäre befinden sich fast auf derselben Gehaltsstufe wie ihre “Chefs” – mit 17.164,70 Euro brutto monatlich. Aber braucht es sie überhaupt?
Als Staatssekretär mittendrin
Einer von ihnen war bis vor einem Jahr der heutige Finanzminister, der Vorarlberger Magnus Brunner (ÖVP). Zwischen Jänner 2020 und Dezember 2021 “diente” er unter Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) als Staatssekretär, inhaltlich zum Beispiel zuständig für Fragen des Flugverkehrs. Im Nachhinein gesehen habe ihn diese Aufgabe sicher für das Ministeramt vorbereitet, berichtet er im VN-Gespräch: “Man lernt das politische Geschäft und die Regierungsarbeit noch besser und intensiver kennen.”
Als “parteifremder” im Ministerium des Koalitionspartners könne die Amtsführung aber teilweise etwas holprig sein: “Ich bin überzeugt davon, dass die Arbeit mehr bringt, wenn man von derselben Partei ist.” Mit Gewessler sei Brunner zwar immer “gut ausgekommen”, manchmal hätte er sich jedoch gewünscht, mehr eingebunden zu werden: “Ich habe aber auch Verständnis dafür, dass das schwierig ist, wenn man von der anderen Partei ist.”
Parteien bleiben gerne unter sich
Vielleicht kommen solche “Überkreuzungen” in der aktuellen Regierungskonstellation auch deshalb nicht mehr vor: Die zwei Staatssekretärinnen und der Staatssekretär der ÖVP arbeiten unter Ressortchefs der ÖVP, die von den Grünen nominierte Staatssekretärin unter dem Grünen Vizekanzler. Damit fällt aber auch eine mögliche Tätigkeit weg, die Staatssekretären manchmal zugeschrieben wird: Sie könnten doch zur Kontrolle in “fremdem Gebiet” eingesetzt werden. Diese Rolle wurde immer wieder der heutigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nachgesagt, die zwischen 2017 und 2019 Staatssekretärin unter dem damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) war.
Damals war sie inhaltlich zum Beispiel für die Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen zuständig. Auch sie betont heute auf Nachfrage, “gerne” auf die Zeit zurückzublicken und “dankbar für die wertvollen Erfahrungen” zu sein, aber: “Natürlich war es angesichts des damaligen Innenministers mitunter sehr fordernd.” Und Magnus Brunner ergänzt: “Es hängt immer davon ab, wie man vom Minister eingebunden wird.” Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik(Universität Wien) glaubt aber, dass die Partei zumindest “ein bisschen früher über die Bösartigkeiten der anderen Seite Bescheid weiß”.
Eine zu kleine Regierung
Staatssekretäre wurden erstmals 1918 eingesetzt – damals noch ohne explizite verfassungsrechtliche Grundlage und “Unterstaatssekretäre” genannt. Die Großdeutsche Volkspartei stellte deren Funktion in der konstituierenden Nationalversammlung als Verschwendung öffentlicher Mittel infrage. Davon ist heute fast keine Rede mehr, vielleicht maximal wenn Staatssekretäre ihre Bürosmit bis zu elf Personen besetzen – ohne selbst politische Letztverantwortung zu tragen. “Ich lasse Florian Tursky im Bereich der Digitalisierung ziemlich freie Hand: Wir stimmen uns aber regelmäßig ab”, beurteilt Brunner die Situation im Finanzministerium.
Auch Laurenz Ennser-Jedenastik sieht in zusätzlichen Regierungsposten keine Verschwendung von öffentlichen Geldern, ganz im Gegenteil: “Das wäre Sparen am falschen Ende. Wir haben jetzt schon das Problem, dass die österreichische Bundesregierung eigentlich aus zu wenig Ministerinnen und Ministern besteht.” Im Moment sind es 14 Stück, mit zum Teil riesigen Ressorts: “Wir haben zum Beispiel eine ganze Pandemie durchgemacht mit einem Gesundheitsminister, der daneben auch noch für den Sozialbereich, die Pensionen und die Pflege verantwortlich war”, kritisiert der Experte. Deshalb könne eine bessere inhaltliche Fokussierung durchaus notwendig sein. Das sieht Magnus Brunner auch für sein Haus: “Das Finanzministerium ist ein großes Haus, da ist ein Staatssekretär schon notwendig, auch für die parlamentarische Vertretung.”
Feinschliff für Koalitionskonstellationen
Daneben gibt es laut Ennser-Jedenastik weitere Gründe, Staatssekretäre einzusetzen: “Sie können zur Ausgewogenheit der Koalition beitragen.” Denn immer wieder seien zusätzliche Posten hilfreich, um parteiinterne Besetzungsmechanismen zu erfüllen: Zum Beispiel bei einem gewissen Proporz von Ländern oder Teilorganisationen – Susanne Kraus-Winkler im Wirtschaftsministerium war etwa zuvor Interessensvertreterin in der Wirtschaftskammer für die Hotellerie.
Außerdem sei das “Sprungbrett Staatssekretariat” nicht zu unterschätzen – mit Plakolm (28) und Tursky (34) gebe es im Moment gleich zwei Aspiranten hierfür. Besonders beim nunmehrigen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) war das ein Thema, als er – damals Chef der Jungen Volkspartei – mit 24 Jahren Integrationsstaatssekretär im Innenministerium wurde. Der politische Aufstieg, der folgte, ist bekannt. Beim heutigen Nationalratsabgeordneten Hubert Fuchs (FPÖ) hingegen trat der nicht ein: Er war zwischen 2017 und 2019 Staatssekretär im Finanzministerium und konnte sich in dieser Phase kein politisches Profil erarbeiten. Oder wie ihn die “Kleine Zeitung” einmal nannte: “Hubert who?” Denn, so Magnus Brunner, “als Staatssekretär stehst du in der zweiten Reihe”.