Dieser Text erschien zuerst am 8.8.2024 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.
Das Landesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass Steve Mayr seinen Bezug im Widerspruch zum Gesetz geheim gehalten hat. Dennoch teilt er ihn der Öffentlichkeit weiterhin nicht mit.
Fraxern, Bregenz „Es wäre einmal kreativ, wenn Sie etwas anderes finden würden, um das Sommerloch zu füllen, als die Hetze gegen die Politiker-Gehälter. Das ist einfach nur sinnlos, jedes Jahr dieselbe Leier.“ So beantwortete der Bürgermeister von Fraxern, ÖVP-Landtagsabgeordneter Steve Mayr, im August 2023 eine Anfrage der Vorarlberger Nachrichten über seinen monatlichen Bezug, den er als Bürgermeister aus Steuergeld erhält. Und Nachsatz: „Jedes Gehalt eines Bürgermeisters ist gesetzlich geregelt und recherchierbar. Wenn eine Redaktion das nicht zustande bringt, sollte sie über etwas anderes berichten.“ Das Vorarlberger Landesverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass der Bezug von Steve Mayr eben nicht einfach „recherchierbar“ war, er diesen unrechtmäßig geheim gehalten hat und bekannt geben muss. Doch er tut das – auf erneute VN-Anfrage – weiterhin nicht.
„Überwiegendes Verschulden der Behörde“
Der Bürgermeister habe seine Entscheidungspflicht verletzt, schreibt Richterin Claudia Drexel in ihrem Erkenntnis. Das Gericht wurde tätig, weil die VN eine Säumnisbeschwerde gegen Mayr formulierten. Der Bürgermeister wich nämlich auf mehrmalige Anfragen nach seinem exakten monatlichen Brutto-Bezug aus und gab die Summe nicht bekannt.
Nachdem die VN die Säumnisbeschwerde eingebracht hatten, antwortete Mayr: „Ich hoffe, es geht Ihnen jetzt besser, gratuliere Ihnen zu Ihrem Werk. Ich habe immer noch andere, viel größere, Sorgen!“ Zwar übermittelte er dann auch Dokumente der Gemeindevertretung – aus diesen ging die gewünschte Information jedoch nicht hervor. Wegen seiner Vorgangsweise wurde Mayr im September 2023 von der Transparenz-NGO „Forum Informationsfreiheit“ mit der „Mauer des Schweigens“ „ausgezeichnet“.
Umfassende VN-Recherche
„Mangels Vorliegen eines Verweigerungstatbestandes war der Bürgermeister verpflichtet, die geforderte Auskunft zu erteilen. Indem er dies nicht innerhalb der Frist (von acht Wochen, Anm.) getan hat, hat er seiner Auskunftspflicht nicht entsprochen“, heißt es in der Entscheidung des Gerichts. Die Richterin argumentiert das unter anderem damit, dass der Bürgermeister die Auskunft mit nur geringem Aufwand hätte erteilen können.
Die VN recherchierten im vergangenen Jahr die Bezüge aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Land, denn nur in Vorarlberg werden diese individuell von den Gemeindevertretungen beschlossen. Oft waren die Verordnungen aber mehrere Jahre alt oder uneindeutig und beinhalten Bestimmungen über monatliche Aufstockungen und Inflationsanpassungen – so auch in Fraxern. Deshalb hält die Richterin in der Entscheidung fest: „Die Ermittlung des Bezugs des Bürgermeisters würde über einen Zeitraum von dreizehn Jahren umfassende Recherchen und mehrere Rechenoperationen erfordern. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass die gewünschte Information dem Beschwerdeführer unmittelbar zugänglich wäre.“ Verfassungsjurist Peter Bußjäger sagt den VN, dass die Entscheidung „wieder einmal ein kleiner Baustein für mehr Transparenz in der Verwaltung“ sei.
Wieder keine Antwort
In einer Stellungnahme schreibt Steve Mayr, dass die Gerichtsentscheidung für ihn „nachvollziehbar“ sei, „nicht aber die unglaubliche Ressourcenverschwendung“. Den VN richtet er aus: „Ich würde mich vor allen Steuerzahlern schämen, wenn ich das ausgelöst hätte.“ Dass das Gerichtsverfahren nicht stattgefunden hätte, wenn er die journalistischen Anfragen einfach beantwortet hätte, erwähnt der Bürgermeister und ÖVP-Landtagsabgeordnete nicht. Aber: „Ich bekenne mich jedenfalls schuldig, obwohl die Menschen mein Verhalten verstehen. Zumindest die, mit denen ich rede.“ Also beantwortet er die Frage, wie hoch sein monatlicher Brutto-Bezug im Jahr 2023 nun war, abermals nicht. Außerdem schreibt Mayr: „Ich werde mich zu diesem Fall nicht mehr äußern.“
Das Erkenntnis des Vorarlberger Landesverwaltungsgerichts über die Säumnisbeschwerde der VN gegen den Bürgermeister von Fraxern, Steve Mayr, vom 1. August 2024 (Zahl: LVwG-352-3/2024-R20) finden Sie hier im Volltext.
Kommentar: Gefährliches Amtsverständnis in der Fraxner Amtsstube
Dieser Kommentar erschien zuerst am 8.8.2024 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.
Fraxern Steve Mayr tut etwas Gefährliches. Der Bürgermeister von Fraxern ignoriert eine Gerichtsentscheidung. „Die Menschen“ würden sein Verhalten ja „verstehen“. Der Spruch des Landesverwaltungsgerichts ist zwar eindeutig – er muss der Öffentlichkeit verraten, wie viel er als Gemeindeoberhaupt verdient – und Mayr sagt auch, dass das für ihn „nachvollziehbar“ sei; unter Berufung auf einen vermeintlichen Volkswillen zieht er aber die falschen Schlüsse.
Wenn es ihm ein Dorn im Auge wäre, dass Journalist:innen ein Recht darauf haben, Informationen von Behörden zu erhalten, könnte er als Politiker auf eine Änderung der Menschenrechtskonvention, wo das verankert ist, pochen. Würde er sein Gehalt nicht verraten wollen, weil es ihm als zu hoch erschiene, könnte er in der Gemeindevertretung anregen, es zu senken. Steve Mayr wählt aber einen anderen Weg: Er setzt die Gerichtsentscheidung nicht um und beginnt damit, an den Grundfesten unseres Rechtsstaats zu rütteln. Ein Landtagsabgeordneter der ÖVP sollte es eigentlich besser wissen.
Außerdem lässt er Düsteres vermuten, für den Zeitpunkt, an dem das neue Informationsfreiheitsgesetz in Kraft tritt. Ab 1. September 2025 haben alle Menschen ein Grundrecht auf Auskünfte von allen österreichischen Behörden. Doch Mayr könnte auch dann – so er im März als Bürgermeister wiedergewählt wird – die Gerichte ignorieren. Und damit den neuen Grundsatz der transparenten Verwaltung weiter mit Füßen treten.