Dieser Text erschien zuerst am 24.7.2023 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.
Die VN sollen nach 18 Monaten Rechtsstreit Zugang zu den „Fachlichen Begründungen“ diverser Covid-Verordnungen erhalten. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Wien Auf welche Studien stützte sich der damalige Gesundheitsminister, als er im November 2021 den „Lockdown für Ungeimpfte“ verordnete? Welche Daten waren die Grundlage für regional unterschiedliche Covid-Beschränkungen? Warum wurde ein Verbot von Veranstaltungen verhängt? All diese Fragen wurden in den „Fachlichen Begründungen“ zu diversen Covid-Verordnungen beantwortet. Der Krisenstab im Ministerium erstellte die zum Teil mehr als 30 Seiten langen Dokumente, in denen Untersuchungen zitiert, Daten zusammengefasst und Schlüsse daraus gezogen wurden. Doch der genaue Inhalt blieb geheim. Bis jetzt.
„Der Beschwerde wird stattgegeben.“ Mit diesem einfachen Satz endet ein monatelanger Rechtsstreit der Vorarlberger Nachrichten mit dem Gesundheitsministerium. „Im Namen der Republik“ entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), dass die Republik gegen die in der Menschenrechtskonvention festgeschriebene Meinungsfreiheit und das Auskunftspflichtgesetz verstoßen hatte. Damit ist klar: Dass die „Fachlichen Begründungen“, die ab Juli 2020 zu jeder Covid-Verordnung erstellt werden mussten, nicht einmal an Medien übermittelt wurden, war rechtswidrig. Zahlreiche Anfragen auf Übermittlung der Dokumente während der Pandemie gingen ins Leere.
Die erste Anfrage zum Thema stellten die VN am 27. Dezember 2021. Ein Sprecher verwies damals darauf, dass die Dokumente nicht veröffentlicht werden, da diese „Teil eines Verwaltungsaktes“ sind. Erst acht Monate später wurde ein bekämpfbarer Bescheid erlassen, in dem diese Argumentation wiederholt wurde. In ihrer Beschwerde verwiesen die Vorarlberger Nachrichten auf höchstgerichtliche Rechtsprechung und dass demnach – vor allem für Medien – ein Zugang zu Dokumenten sehr wohl geboten sein kann. Im Oktober 2022 übermittelte das Ministerium dem Gericht eine Stellungnahme, in der es unter anderem ausführte, dass „eine Veröffentlichung bzw. Übermittlung [der ‚Fachlichen Begründungen‘] an Journalist:innen in Anbetracht der aufgeheizten medialen Situation nicht zweckmäßig“ erscheine.
Das Bundesverwaltungsgericht ließ sich davon aber nicht überzeugen. Auf 15 Seiten Erkenntnis von Anfang Juli führt der Richter unter anderem aus, dass „für die journalistische Tätigkeit die konkreten Dokumente als zitierfähige Quellenangaben allein schon einen Mehrwert darstellen“. Das Interesse an der Auskunftserteilung überwiege gegenüber dem Interesse der Nichtbeauskunftung, denn die Rechtsprechung betonte die Rolle der Medien – sogenannter „public watchdogs“ – als Grundpfeiler der Demokratie. Und der Spruch: Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat die begehrte Auskunft zu Unrecht verweigert. Das bedeutet: Sie ist zu erteilen.
In einer ersten Stellungnahme gegenüber den VN betont ein Sprecher von Rauch, dass die „Fachlichen Begründungen“ nur als „interne Dokumente zur Dokumentation für den Verfassungsgerichtshof“ gedacht waren. Das Erkenntnis des BVwG schaffe „nun Klarheit für die rechtliche Einordnung dieser Dokumente. Das Gesundheitsministerium begrüßt diese Klarstellung.“ Aus diesem Grund werde auch keine Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben: „Der Gegenstand des Auskunftsbegehrens wird spätestens nächste Woche übermittelt.“ Einer der Sprecher des Ministers hatte bereits im Dezember auf Twitter festgehalten, dass man die Entscheidung „selbstverständlich respektieren“ werde.
Markus Hametner, Vorstandsmitglied des „Forums Informationsfreiheit“, der die VN in diesem Verfahren mit Einschätzungen unterstützte, begrüßt das Erkenntnis: „Die Entscheidung bestätigt unsere Auffassung, dass die Argumente aus der Luft geholt wurden, nicht aus dem Gesetz.“ Die Ausführung des Ministeriums, wonach wegen zu vieler Anfragen keine Auskunft zu erteilen wäre, erkannte das Gericht nicht an. Zurecht, sagt Hametner: „Das hätte bedeutet, dass man Journalisten keine Informationen geben muss, wenn es ein hohes öffentliches Interesse und dadurch viele Nachfragen zum Thema gibt.“
Durch die lange Verfahrensdauer von 18 Monaten werde außerdem wenig politischer Wille des Ministeriums an Transparenz sichtbar: „Dass trotz der langen Bedenkzeit der Behörde Argumente vom Gericht als ‚nicht zulässig‘ bezeichnet wurden, kann man als Watsche für die Verantwortungsträger hinter dem Verfahren sehen.“
Den vollständigen Text des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes (W298 2260837) finden Sie hier.