Von einer Regierung, die drei Jahre braucht, um eine Auskunft zu erteilen

Dieser Text erschien zuerst am 10.12.2023 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.

 

Wie eine VN-Anfrage vom 10. Jänner 2021 jetzt doch noch beantwortet wurde. Und worum es in dieser geheim anmutenden Angelegenheit ging.

Wien Zugegeben, dieser Text erscheint etwas spät. Eigentlich hätte an dieser Stelle bereits im Jänner 2021 eine Geschichte darüber stehen sollen, wie viele Menschen das „Kaufhaus Österreich“ tatsächlich genutzt haben. Was das „Kaufhaus Österreich“ ist, fragen Sie sich womöglich. Das war jene Plattform, die Ende 2020 von Wirtschaftsministerium und Wirtschaftskammer gemeinsam aufgesetzt wurde und für „regional-digitalen Schaufensterbummel“ sorgen sollte.

946.068,54 Euro für das virtuelle Schaufenster

Doch das Projekt wurde zu einem der größten innenpolitischen Aufreger im Corona-Jahr 2020. Sinnvoll im virtuellen Schaufenster nach passenden Weihnachtsgeschenken zu bummeln, war kaum möglich. Es hinterließ einen so bleibenden Eindruck, dass es sogar noch fast eineinhalb Jahre später als einer der Rücktrittsgründe für die federführende Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck genannt wurde. Mitte 2022 wurde das „Kaufhaus Österreich“ dann endgültig zugesperrt, die Suchfunktion hatte es bereits zuvor wieder verloren. Verbrauchtes Steuergeld für das Projekt: 946.068,54 Euro.

Auch die Daten über die Zugriffe auf das “Kaufhaus Österreich” zeigen deutlich, dass der „Hype“ um die Plattform nach der ersten Präsentation – und zahlreichen Medienberichten über absurde Suchergebnisse, die wohl auch für mehr Klicks sorgten – schnell wieder abflaute: In der ersten Betriebswoche verzeichnete „Kaufhaus Österreich“ noch knappe 10 Millionen Klicks (aber nicht von 10 Millionen unterschiedlichen Menschen). Diese Zahl lag im Jänner 2021 schon nur mehr bei rund 100.000 wöchentlich und später – bereits nach dem Ende der Suchfunktion – weitestgehend bei rund 5000. Einzelne Ausreißer nach oben können medialer Berichterstattung zum Thema zugeschrieben werden – etwa als die Phrase „Kaufhaus Österreich“ zum Unwort des Jahres nominiert wurde.

Aber warum berichten wir erst jetzt über diese Zahlen? Das liegt am Umgang von österreichischen Behörden mit unserer Anfrage. Bereits am 10. Jänner 2021 wollten die Vorarlberger Nachrichten erfahren, wie viele Menschen die Plattform auch tatsächlich genutzt haben. Schließlich flossen neben den direkten Kosten für die Website auch Gelder in die Bewerbung von Online-Handel an sich. Doch die Nachricht an das damals zuständige Wirtschaftsministerium über die Zugriffszahlen auf das „Kaufhaus Österreich“ wurde über Jahre hinweg konsequent ignoriert. Eine Antwort hätte laut Gesetz zwar schon nach zwei Monaten eintrudeln sollen, das passierte aber nicht. Wir brachten eine Beschwerdeein, auf diese hätte das Ressort laut Gesetz entweder mit der einfachen Auskunft reagieren können, oder das Bundesverwaltungsgericht entscheiden lassen. Doch das Wirtschaftsministerium tat nichts.

Ab ins Finanzministerium

So vergingen die Monate, die Zuständigkeit für das „Kaufhaus Österreich“ wechselte ins Finanzministerium von Magnus Brunner, in die Sektion für Digitalisierung, für die mittlerweile Staatssekretär Florian Tursky verantwortlich ist. Doch auch dieses Ministerium tat nichts. Also legten wir die Säumnisbeschwerde dem Gericht selbst vor, ein Richter nahm sich der Angelegenheit an: Er setzte eine mündliche Verhandlung an, um die Sache ein für alle Mal zu klären und lud neben dem VN-Redakteur auch Vertreter der Ministerien vor. Für den 27. November 2023.

Und dann ging alles plötzlich ganz schnell. Eine Woche vor dem Gerichtstermin erreichte uns unverhofft eine E-Mail aus dem Finanzministerium. Es war dies die allererste Reaktion aus der Bundesregierung überhaupt. Inhalt der Nachricht: die Zugriffszahlen. Knappe drei Jahre nach der Anfrage wurde sie tatsächlich beantwortet.

Doch warum brauchen zwei Ministerien ganze zwei Jahre und zehn Monate, um eine einfache Anfrage zu beantworten? Gegenüber den VN heißt es aus dem Finanzministerium, dass man diese lange Bearbeitungsdauer bedauere. Als die Angelegenheit aus dem Wirtschaftsministerium in das Finanzressort wechselte, hätte ein „menschlicher Fehler in der Dokumentation innerhalb der Sektion“ dazu geführt, erläutert ein Sprecher. Dieser konnte erst ausgeräumt werden, als das Ressort durch die Vorladung des Gerichts neuerlich auf die Anfrage aufmerksam gemacht wurde: „Es handelt sich in Ihrem Fall um ein einmaliges bedauerliches Vorkommnis.“

Also bleibt die Hoffnung, dass es beim nächsten innovativen Projekt der Bundesregierung schneller geht.


Zeitleiste: Das „Kaufhaus Österreich“ und das Auskunftsbegehren

10. Jänner 2021: Die Vorarlberger Nachrichten richten ihre Anfrage über die Zugriffszahlen auf das “Kaufhaus Österreich” an das damalige Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.
7. März 2021: Die Frist für die Beantwortung der Anfrage verstreicht ohne Reaktion.
10. Juli 2021: Die Frist für die Erlassung eines Bescheids über die unbeantwortete Anfrage verstreicht ohne Reaktion.
20. April 2022: Die Vorarlberger Nachrichten bringen beim Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort eine Säumnisbeschwerde ein.
18. Juli 2022: Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort wird aufgelöst, die Zuständigkeit für das “Kaufhaus Österreich” wechselt mit der Sektion für Digitalisierung und E-Government in das Bundesministerium für Finanzen.
20. Juli 2022: Die neuerliche Frist für die Beantwortung der Anfrage bzw. für die Vorlage der Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht verstreicht ohne Reaktion.
26. Juli 2022: Die Vorarlberger Nachrichten legen ihre Säumnisbeschwerde selbst dem Bundesverwaltungsgericht vor.
16. August 2022: Das Bundesverwaltungsgericht leitet die Säumnisbeschwerde dem neuen Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft weiter. Dieses leitet die Säumnisbeschwerde an das Bundesministerium für Finanzen weiter.
27. August 2022: Die Vorarlberger Nachrichten bitten das Bundesverwaltungsgericht um Behandlung der Säumnisbeschwerde. Dieses reagiert darauf nicht.
27. Mai 2023: Die Vorarlberger Nachrichten legen ihre Säumnisbeschwerde neuerlich dem Bundesverwaltungsgericht vor. Die Zuständigkeit für das Verfahren wechselt zu einem anderen Richter.
30. Oktober 2023: Das Bundesverwaltungsgericht setzt für die Behandlung der Säumnisbeschwerde eine mündliche Verhandlung am 27. November 2023 an und lädt den Redakteur der Vorarlberger Nachrichten sowie Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft vor.
20. November 2023: Das Bundesministerium für Finanzen erteilt die Auskunft über die Zugriffe auf das „Kaufhaus Österreich“. Die Vorarlberger Nachrichten ziehen ihre Säumnisbeschwerde daraufhin zurück.
21. November 2023: Das Bundesverwaltungsgericht stellt das Verfahren über die Säumnisbeschwerde ein.