Dieser Text erschien zuerst am 25.2.2024 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.
Berufspolitikerinnen haben keinen Anspruch auf Mutterschutz und kaum Karenzregelungen. Wie drei Vorarlberger Mamas in der Politik damit umgehen.
Straßburg, Wien, Bregenz Am 29. Juni 2022 tritt Heike Eder ans Rednerpult. Sie spricht wie eh und je im Parlament in Wien: “Ich freue mich, dass ich mich mit zwei wichtigen Beschlüssen in der Tagesordnung aus der Babypause zurückmelden kann”, sagt die Bundesrätin und ist somit aufs Neue mitten im tagespolitischen Geschehen. Doch diese Babypause von Heike Eder war ungewöhnlich kurz: Schon wenige Wochen nach der Geburt ihres zweiten Kindes verhandelt die Vorarlbergerin in Ausschüssen über Gesetzesentwürfe, stimmt im Plenum darüber ab und hält die angesprochene Rede. Auf der Tagesordnung steht ausgerechnet eine Novelle des Mutterschutzgesetzes.
Als Berufspolitikerin hat Heike Eder keinen Anspruch auf Mutterschutz.
Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat sind zu diesem Zeitpunkt aber besonders knapp. Die türkis-grüne Koalition hält 31 Mandate, die Opposition 30. Bei so einer Ausgangsposition sollte eine Bundesrätin nicht fehlen: “Da ist es dann passiert, dass ich im Plenarsaal gestillt habe, weil ich vor Abstimmungen unbedingt dort bleiben musste”, sagt Eder im Gespräch mit den VN. Zwei Plenarsitzungen verpasste sie nach der Geburt ihres Sohnes dennoch, das sei das gerade noch so geduldete Ausmaß: “Dann war klar, dass ich wieder nach Wien sollte.”
Parlamentarierinnen können sich nämlich auch nicht vertreten lassen. Ein freies Mandat auszuüben, bedeutet auch persönlich anwesend zu sein. Oder seine Stimme verfallen zu lassen.
Noch keine Karenzierung im Land
Eine Alternative gibt es in Österreich nur in manchen Landtagen, zum Beispiel in Vorarlberg. Abgeordnete, auch Männer, können sich hier seit August 2007 für maximal 14 Monate karenzieren lassen – entweder wenn sie nahe Angehörige pflegen oder ein Baby betreuen müssen. In so einem Fall rückt ein Ersatzmitglied als Vertretung in den Landtag nach. Aber: “Seit Einführung der Regelung hat es noch nie eine Karenzierung gegeben”, sagt Landtagsdirektorin Borghild Goldgruber-Reiner den VN.
Anlassfälle dafür hätte es jedoch gegeben. Zum Beispiel bei Landtagsabgeordneter Nicole Feurstein-Hosp. Die Lustenauerin sagt den VN, dass sie nach der Geburt ihres Sohnes vor drei Jahren in einer Plenarsitzung entschuldigt fehlte: “Ich habe mir das mit der Karenzierung kurz angeschaut, dann aber gemerkt, dass es mit meinem Partner und meiner Mama im Hintergrund gut funktioniert.” Letztere warte dann auch zum Beispiel vor der Tür zum Plenarsaal mit dem Kind – während die Mama drinnen eine Rede hält.
Und mit dabei ist auch die Tochter von Claudia Gamon im EU-Parlament. Zum Beispiel bei Gesprächen mit Medienvertreterin in Straßburg sitzt sie mit am Tisch. Gamon sagt den VN, dass sie einige wenige Plenarsitzungen nach der Geburt verpasst hätte: “Es ist schon machbar, aber natürlich wäre es angenehmer, wenn man vereinbaren könnte, dass man aus der Ferne abstimmt.” Eine Initiative von jungen Müttern in diese Richtung scheiterte zuletzt, aber: “Während der Pandemie gab es das auch schon einmal. Also es gäbe Möglichkeiten.”
“Die Quote hat ihren Effekt”
Die Soziologin Sonja Dörfler-Bolt sagt den VN, dass solche familienpolitischen Regelungen helfen könnten, mehr junge Frauen in die Politik zu bringen: “Die Vereinbarkeit von Familie und Erwerb zu verbessern, spielt auch für Politikerinnen – hier sind die Männer natürlich mitgemeint – eine Rolle”, sagt die Expertin vom Institut für Familienforschung an der Universität Wien. Zum Beispiel Spanien habe bei diesem Thema eine Vorreiterrolle: “Eine von außen verordnete Frauenquote sieht man zwar nicht gern, aber sie hat ihren Effekt.”
Hierzu gehöre aber auch, zum Beispiel wichtige Termine nicht auf den späten Abend, sondern in den Tag zu verlegen: “Wenn ich während der Termine mit Kindern zu Hause sitze, werde ich schlechter in die sehr männlich dominierten Netzwerke hineinkommen.” Und dadurch würden dann auch die Aufstiegsmöglichkeiten geringer.
Im Nationalrat liegt der Frauenanteil aktuell bei 41, im Bundesrat sowie im Vorarlberger Landtag bei 47 Prozent.
“Es wäre zeitgemäß”
Damit dieser noch weiter steigt, plädiert etwa Bundesrätin Heike Eder stark für den Ausbau von Möglichkeiten, als Abgeordnete in Karenz zu gehen: “Ich ein absoluter Befürworter davon. Gerade im Bundesrat, wo wir eh alle ein Ersatzmitglied haben, wäre das total angebracht. Außerdem wäre es zeitgemäß.” Die fehlenden Arbeitsschutzbestimmungen in der Politik schrecken ihrer Ansicht nach Frauen davon ab, ein Mandat anzunehmen: “Ich höre ganz oft, dass sich viele nicht vorstellen könnten, ins Parlament zu gehen, weil sie sich zum Beispiel bald ein Kind wünschen”, sagt Heike Eder.
Und Nicole Feurstein-Hosp stimmt mit Heike Eder vor allem darin überein, dass sie viel Verständnis für ihre Situation erfahren hätte: “Der Rückhalt war groß. Der Klubobmann, der Präsident und viele andere haben gesagt: ‘Schau zuerst einmal, wie es funktioniert.’” Und bei ihr habe es dann auch bald wieder mit den Abendterminen funktioniert. “Weil dem Papa das Kind genauso viel Wert ist.”