Wie ich versucht habe, herauszufinden, was alle Bürgermeister verdienen

Dieser Text erschien zuerst am 7.9.2023 in den Vorarlberger Nachrichten und ist weiterhin hier abrufbar.

 

VN-Hintergrund: Geheime Gemeindevertretungssitzungen, „kein Interesse an dieser Umfrage“ und mehr skurrile Antworten im Rahmen einer skurrilen Recherche.

Bregenz 44 der 96 Vorarlberger Bürgermeister haben rechtswidrig geheim gehalten, wie viel sie verdienen. Im Gemeindegesetz ist nämlich festgeschrieben, dass sie alle Verordnungen der Gemeindevertretung im Internet veröffentlichen müssen – also auch jene über den Bezug der Gemeindeorgane. Doch in fast der Hälfte der Gemeinden passierte das nicht. Bis ich begann, für die Vorarlberger Nachrichten zum Thema zu recherchieren.

Alles begann mit einer harmlosen E-Mail an die besagten 44 Gemeindeämter: „Auf welchen Betrag beläuft sich im Jahr 2023 der monatliche Brutto-Bezug des Herrn Bürgermeisters?“ Es ist dies eine von drei scheinbar einfachen Fragen, deren Beantwortung sich aber zum Teil über einen Monat hinziehen sollte. Oder immer noch nicht passiert ist.

Doch zunächst zu den positiven Beispielen: Bereits nach wenigen Minuten trudelte die erste Antwort aus Schoppernau ein, kurz darauf meldete sich auch der Amtsleiter in Götzis mit der gewünschten Rückmeldung. Die Recherche schien kein Problem zu werden, selbst ein Bürgermeister, der zunächst aus Versehen ein internes Mail seiner Mitarbeiterin mitschickte, meldete sich irgendwann – nur etwas widerwillig – mit der gewünschten Auskunft („Sorry, war im Urlaub und es ist nicht ganz oben auf der Prioritätenliste“). Eine andere Gemeindesekretärin antwortete, dass sie einfach „vergessen“ habe, diese spezielle Verordnung zu veröffentlichen, holte das aber sofort nach.

„Ich bin da etwas verhalten“

Nach zwei Wochen meldete ich mich mit ersten Nachfragen in den Gemeinden, aus denen ich bis dahin nichts hörte. Vereinzelt bekam ich etwas von wochenlangen Urlauben, in denen das Postfach nicht gelesen werde, zu hören, andere gaben ganz unverblümt zu, das E-Mail bewusst ignoriert zu haben: „Wir haben kein Interesse an der Umfrage“, sagte der Amtsleiter einer Gemeinde im Montafon zu uns am Telefon. „Wie, Sie haben ‚kein Interesse‘?“, war ich verblüfft, „Ja, wir wollen bei dem Thema nicht dabei sein und wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht einmal, ob wir so eine Verordnung überhaupt haben“, war die Antwort.

Drei Tage später übermittelte er das gewünschte Dokument.

Eine andere Gemeindesekretärin wollte behilflich sein: „Schauen Sie doch mal in die Protokolle zwischen 2015 und 2020, da muss es irgendwo stehen.“

Das half nichts – bei den Protokollen handelte es sich um eingescannte, nicht durchsuchbare Ausdrucke.

Der Bürgermeister einer Gemeinde im Bezirk Feldkirch gab zunächst an, mir die Auskunft nicht erteilen zu wollen, „weil ich bin da etwas verhalten“. Zur Klarstellung: Dass Verwaltungsorgane nur der gesetzlichen Auskunftspflicht unterliegen, solange sie da nicht etwas verhalten sind, steht nicht in der Verfassung.

Eine Bürgermeisterin aus dem Bregenzerwald wollte sich zunächst „umhören“, ob ich das „von anderen auch wissen will“.

Ja, wollte ich.

Als ich von einer Gemeinde aus dem Bezirk Feldkirch wochenlang und auf mehrere Anfragen keine Rückmeldung erhielt, beantragte ich einen Bescheid nach dem Auskunftsgesetz. Keine 30 Sekunden später rief die Gemeindesekretärin an: „Jetzt zitieren Sie do scho so Gsetzer und so.“

“Geheime Sitzung”

Ähnlich verlief das Gespräch mit der Sekretärin einer kleineren Gemeinde, die sich einer kuriosen Ausrede behalf: „Das Gehalt wurde in einer geheimen Sitzung beschlossen und was würde uns die bringen, wenn wir Ihnen dann die Auskunft geben?“ Laut Florian Themessl-Huber, Leiter der Landespressestelle, „ist eine Verordnung zur Festlegung der Bezüge der Gemeindeorgane jedenfalls in die Verordnungssammlung aufzunehmen“. Ein Hinweis auf das Gesetz bewirkte Wunder, plötzlich war die Verordnung nicht mehr geheim, eine Woche später auf der Homepage zu finden und der Bürgermeister beantwortete sogar die Frage nach dem genauen Bezug. Nur einen kleinen Seitenhieb ersparte er sich nicht: „Ich stehe vollinhaltlich für Transparenz und auch im Besonderen im Umgang mit Steuergeldern in allen Bereichen. Als Anregung wäre eventuell auch diese Transparenz bei den Einkommen der VN-Mitarbeiter, insbesondere der Führungskräfte, angebracht.“ Warum private Medienunternehmen plötzlich von der Auskunftspflicht umfasst sein sollten, blieb aber unklar.

Dennoch versuchten sich noch andere Gemeinden an diesem Trick. „Was verdient der Herr Redakteur?“, blaffte mich ein Bürgermeister aus dem Bezirk Bludenz am Telefon an, einer seiner Kollegen aus dem Klostertal formulierte folgendes E-Mail: „Ich verstehe Ihre Anfrage nicht. Es ist kein Geheimnis, was ich verdiene, jedoch frage ich auch nicht nach, was Herr Riedmann oder Sie verdienen. Leider fehlt mir auch die Zeit für solche Themen.“ Dennoch erteilte er die Auskunft.

“Hetze”

Nicht getan hat das hingegen ÖVP-Abgeordneter Steve Mayr. Dem Bürgermeister von Fraxern schien unser Mail nicht zu gefallen, sodass er folgende Rückmeldung formulierte: „Es wäre mal kreativ, wenn Sie etwas anderes finden würden, um das Sommerloch zu füllen, als die Hetze gegen die Politikergehälter. Wir haben wirklich genug Probleme, um willige Menschen für diese belastenden Ämter zu finden. Das ist einfach nur sinnlos, jedes Jahr dieselbe Leier. Jedes Gehalt des Bürgermeisters ist gesetzlich geregelt und recherchierbar. Wenn eine Redaktion das nicht zustande bringt, sollte sie über etwas anderes berichten.“

Ja, der Landtagsmandatar sieht in einer Nachfrage über die Verwendung von Steuergeld „Hetze“. Also blieb er auch seinen genauen Bezug schuldig, wir konnten uns der Zahl nur rechnerisch annähern. Dafür konnten wir ihm seinen Wunsch nicht erfüllen: „Gerne können Sie mich auf Seite 1 zitieren. Aber nur wenn Sie alles abdrucken.“

Netto-Lohn als “Vernunftsvorschlag”

Das forderte sein Kollege aus Thüringen nicht, Bürgermeister Harald Witwer, ebenfalls ÖVP-Landtagsabgeordneter, drückte aber dennoch sein Missfallen aus. Zunächst übermittelte er die Höhe des ausbezahlten Netto-Lohns, wir fragten nochmals wegen des genauen Brutto-Bezugs nach, er antwortete: „Etwas überrascht nehme ich zur Kenntnis, dass sie meinem Vernunftsvorschlag, aussagekräftige Netto-Löhne zu verwenden, nicht nähertreten wollen, sondern lieber, die Neiddebatte weiter schürende, Bruttolöhne verwenden, die nicht aussagekräftig sind. Bei mir sinds 5.894,94 Euro. Ich würde Sie noch bitten, mir ebenfalls ihren Netto- und Brutto-Lohn mitzuteilen und bedanke mich jetzt schon für ihre Transparenz.“

Also teilte ich Harald Witwer die Höhe meines Lohns mit.

Doch das reichte nicht.

„Können Sie mir noch mitteilen, wie viele Stunden Sie arbeiten? Damit das dann auch in die richtige Relation gesetzt werden kann?“

19 Wochenstunden sind es.

Ein bisschen weniger, als für diese Recherche nötig waren.