Dieser Text erschien zuerst am 3.12.2024 im STANDARD und ist weiterhin hier abrufbar.
Eine Kommission stufte Sabine Matejka als beste Kandidatin ein. Ein exklusiver Einblick in Akten legt nun offen, warum die Volkspartei sie dennoch ablehnte
Der erste Präsident des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), Harald Perl, ging am 1. Dezember 2022 in Pension. Doch bis seine Nachfolge den Dienst antreten konnte, vergingen 427 Tage. Denn die türkis-grüne Bundesregierung konnte sich über ein Jahr nicht auf die Nachbesetzung am größten Gericht Österreichs einigen.
Matejka als „eindeutige Empfehlung“
Dabei wäre alles ganz einfach gewesen: Eine hochkarätige Kommission – etwa besetzt mit den Höchstgerichtspräsidenten – legte, wie vom Gesetz vorgesehen, einen Ernennungsvorschlag vor. Von den zwölf Bewerberinnen und Bewerbern wurde die damalige Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, als bestgeeignet genannt. Auf den Plätzen zwei und drei des Vorschlags folgten Mathias Kopf und Christian Filzwieser. Kopf ist bis heute Leiter der BVwG-Außenstelle in Linz, Filzwieser wurde während des Bewerbungsprozesses Leiter der Asylgruppe im Innenministerium und war zuvor Verwaltungsrichter.
Doch trotz dieser „eindeutigen Empfehlung“, wie es ein Sprecher von Bundespräsident Alexander Van der Bellen einmal nannte, ließ sich die Bundesregierung Zeit: Sie beschloss die Besetzung erst Ende Jänner 2024. Diese lange Dauer des Verfahrens sorgte für wiederholte Kritik innerhalb der Justiz und durch NGOs. Die Diskussionen brachen mit erfolgter Besetzung aber nicht ab. Denn die Koalition schlug letztlich den Drittgereihten Filzwieser als neuen Gerichtspräsidenten vor, und der Bundespräsident ernannte diesen auch; nicht die Erstgereihte Matejka.
Geschwärztes Gutachten
Einen kleinen Einblick in diese Entscheidung – über den Vorzug Filzwiesers gegenüber Matejka und dem Zweitgereihten Kopf – gibt nun ein Auszug aus den Verfahrensakten. Auf ein Auskunftsbegehren des STANDARD übermittelte das zuständige Beamtenministerium eine Version des Gutachtens der Kommission, in dem jede einzelne Information über einzelne Bewerberinnen oder Bewerber geschwärzt wurde. Aus dem Dokument geht nur hervor, dass die Entscheidung für das Gutachten von fünf gegen zwei Kommissionsmitglieder gefällt wurde. Der Inhalt eines Minderheitsvotums zweier Mitglieder bleibt ebenso verschlossen wie die Information, welche Bewerber welche Anforderungen in welchem Ausmaß erfüllten – auch was die drei auf dem Vorschlag genannten und öffentlich gemachten Namen betrifft.
Daran änderte auch eine Gerichtsbeschwerde des STANDARD nichts. Das BVwG, das in diesem Fall zuständig ist, entschied, dass eine Offenlegung „einen erheblichen Eingriff in das datenschutzrechtliche Geheimhaltungsinteresse der Bewerber:innen im Verfahren bedeuten würde“. Auch wenn es sich laut Richterin „um eine Angelegenheit des Interesses der Allgemeinheit handelt“.
Bedenken bei der Volkspartei
Dieses gewisse öffentliche Interesse sah auch die Präsidentschaftskanzlei gegeben, die nach einem ähnlichen Auskunftsbegehren den Antrag der Bundesregierung auf Ernennung Fizwiesers übermittelte. Daraus geht hervor, dass die ÖVP-Regierungsmitglieder Filzwieser gegenüber der Erstgereihten Matejka wegen ihrer fehlenden Erfahrung an Verwaltungsgerichten bevorzugten; gegenüber dem Zweitgereihten Kopf wegen dessen kürzerer Erfahrung als Richter. Ob andere – etwa der ÖVP nachgesagte parteipolitische – Überlegungen eine Rolle spielten, wurde naturgemäß nicht veraktet. Die Regierungsmitglieder der Grünen beugten sich dennoch der Argumentation, auch wenn sie Matejka bevorzugt hätten. Filzwieser wurde Präsident.
Einen internen Aktenvermerk – etwa über „die für die Entscheidung relevanten Überlegungen“ – zum Thema sowie das Kommissionsgutachten übermittelte die Präsidentschaftskanzlei nicht: Letzteres nicht, weil es eine „Bewertung des Verhaltens im Gespräch mit der Kommission“ preisgegeben hätte.